Franziska Nast

Infotext X Work

seven hundred sixty-nine wanna do’s

2018
Textem Verlag Hamburg

Künstlerbuch/Artist book
780 Seiten
240 x 160 mm
Auflage: 400
ISBN: 978-3-86485-211-4

Das Künstlerbuch »seven hundred sixty-nine wanna do’s« präsentiert neben Fernwehmotiven und Wortbildern, skizzenhafte Beobachtungen, private Notizen, Kommentare und persönliche Mythologien. Sie folgen der Alltagssprache, den Lautverschiebungen und Worterfindungen sowie traumartigen Szenerien und Landschaften. Die bildende Künstlerin Franziska Nast arbeitet auch als Grafikerin und Tätowiererin; »Seven hundred sixty-nine wanna do’s« könnte als ein Musterbuch für 769 mögliche Tätowierungen gelten.

Die Motive stehen in einer lockeren Folge, eröffnen Formationen oder verdichten sich als Serie. ­Tanzende Palmen, Grand Paradise Highway, Botanik an der Autobahn, Gestrüpp. Die Südseefahrer sind zurückgekehrt, berichten vom Paradies, echten Träumen, zeigen Souvenirs. X cloud, N hair, Y rain, Visage, Visage, Visage, XXL, the end, wieder Palmen, Rrrrrrreality, don’t cry!

Wanna do steht für: »hätte ich gern gemacht, schade, wär’ geil gewesen«, »wollte ich schon immer mal machen«, »werde ich bei nächstbester Gelegenheit mal machen«, »wird mit Sicherheit passieren, vielleicht!« Auch traditionelle Tätowierer halten »wanna do«-Bücher bereit, der oder dem Kunden, vor allem jenen, die keine eigenen Ideen mitbringen, Motive anzubieten. Die Geschichte solcher Musterbücher geht weit zurück in die europäische Kulturgeschichte, so war es für Künstler des Barock notwendig, ein Musterbuch zu konsultieren, sollte ein Löwe gemalt werden, der aus eigener Anschauung nicht bekannt war. Musterbücher zeigten exotische Tierwesen, einzelne Menschengestalten und Personengruppen in typischen Haltungen bei Tätigkeiten, und waren immer schon unentbehrliche Hilfsmittel.

Franziska Nast lernte von Herbert Hoffmann (1919–2010), seinerzeit Europas ältester Tätowierer. Herbert war nicht nur der Begründer der ältesten Tätowierstube in Hamburg, er war auch akribischer Sammler und Archivar. Nast lernte Herbert Hoffmann 2006 durch einen wunderbaren Zufall kennen – sie wurden enge Freunde. Ihr erster Stich auf einer »fremden« Person fand auf ihm, dem alten Meister, statt. Er wiederum tätowierte ihr den letzten Anker seines Lebens. Franziska Nast schöpft nach wie vor aus den Eindrücken und dem Erbe dieser besonderen Freundschaft.
Thematisch umkreisen ihre Werke häufig Sehnsuchts- und Wandermotive, inspiriert durch das Nautik-Repertoire, der sogenannten Seefahrerromantik mit der religiösen Symbolik von ­Glaube, ­Liebe, Hoffnung, zu der beispielsweise der Anker, das Herz und das Kreuz sowie Glücks- und Schutzmotive gehören.

Eine zentrale Rolle in Franziska Nasts künstlerischen Auseinandersetzung spielen Transforma­tionstechniken. Ausgehend von der üblichen Methode des Tätowiervorgangs auf dem mensch­lichen Körper, transformiert sie den Prozess: sticht und bezeichnet statt Haut andere Untergründe. So entstehen auch die filigranen Zeichnungen im Kleinformat, die sogenannten »T-drawings«. Zeichen­grund der kleinen »T-drawings« ist Isolationsmaterial aus dem Baumarkt, das man üb­licherweise hinter die Heizung klebt. Franziska Nast weißt die zunächst silberfarbenen Zuschnitte aus »­Climaflex®« (alukaschiertes Polystyrol) mit Wandfarbe und fixiert sie auf Graukarton. Die Materialität dieser Verbindung ist hautartig, weich, die Tinte verläuft aber nicht. Die Zeichnungen entstehen mittels Tätowiermaschine und -nadeln in unterschiedlichen Größen.

Die Hamburgerin, geboren 1982, studierte bis 2011 Freie Kunst und Kommunikationsdesign an der Akademie in Braunschweig und mitbegründete 2006 den Kunstverein St. Pauli in Hamburg, wo sie seitdem wieder lebt. Nast beschäftigt sich in ihren Arbeiten mit Erinnerungsmomenten und Alltagsbeobachtungen. Es entstehen Papierelemente, Fotobearbeitungen, Texte, Künstlerbücher, Zeichnungen und natürlich Tätowierungen.
Von 2015–2017 war Nast Stipendiatin des von der Kulturbehörde Hamburg geförderten Hans-­Günther-Baass-Stipendiums mit einem Studio am Jungfernstieg. Dort entstanden die ersten »­T-drawings«. Die Tafeln sind im Originalformat abgebildet.
(Text Nora Sdun)